Bad Homburg, 01.11.2018 10:24 Uhr
Dekanatsjahresempfang: Was die Gesellschaft zusammenhält
Vollrath - Kühne, Ruppert, Tönges - Braungart (Foto: JM Meier)
„Was hält die Gesellschaft zusammen?“ – mit dieser Frage stellte Präses Peter Vollrath-Kühne das diesjährige Thema auf dem 9. Jahresempfang des Evangelischen Dekanats Hochtaunus im Landratsamt Bad Homburg vor. Nahezu 200 Gäste aus Politik, Bildung, Wirtschaft und Kirche waren am vergangenen Donnerstag (25. Oktober) der Einladung von Peter Vollrath-Kühne und Dekan Michael Tönges-Braungart gefolgt. „Scheinbar verliert die Idee der Gemeinschaft auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen an Attraktivität – das Ich und das Selfie scheinen wichtiger zu sein. Was hält die Gesellschaft nun noch zusammen? Sind es die Juristen mit den Gesetzen aus Berlin“, fragte Vollrath-Kühne weiter und übergab das Wort an den Bundestagsabgeordneten Dr. Stefan Ruppert.
„Kleinigkeiten lösen Empörungsstürme aus, es herrscht ein Kima der allgemeinen Beunruhigung und die Individualisierung sowie die Beschleunigung des Lebens nehmen zu“, attestierte Dr. Stefan Ruppert der deutschen Gesellschaft zu Beginn seiner Rede. Zusammenhalt werde außerdem auch nicht durch das zunehmende Verschmelzen von Arbeit und Privatleben gefördert. „Wenn ich nach Hause komme, werde ich zunächst entwaffnet“, erzählte Ruppert schmunzelnd. „Meine Frau fordert mich nämlich dann auf, Mobiltelefon und Laptop auszuschalten“. Und wie solle für zivilgesellschaftliches Engagement und die Familie noch Zeit bleiben, wenn immer mehr Menschen fast permanent nur für sich und ihre Arbeit lebten? „Wer nur für sich und seinen Vorgarten lebt, der vereinsamt“, stellte Ruppert fest. In den Vereinen sei es nicht einfach, Engagierte für die ehrenamtliche Arbeit zu finden. Obwohl in den Vereinen viel passiere, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördere. Außerdem trage die örtliche Entgrenzung des Erwerbslebens nicht zum sozialen Zusammenhalt bei: Denn wer aus beruflichen Gründen regelmäßig umziehen müsse oder weite Wege zur Arbeit hätte, der komme nur zum Schlafen nach Hause. „Der Begriff Heimat ist in der letzten Zeit zu Unrecht diskreditiert worden“, sagte Ruppert. Einen Ort als Heimat zu empfinden, sei die Grundlage für lokales soziales Engagement und Gemeinschaft. Das ökonomische Handeln müsse durch kulturelle und soziale Rahmenbedingen ergänzt werden. Nur so kann sozialer Zusammenhalt entstehen. „Das Wirtschaftliche wurde in der letzten Zeit überhöht. Spitzengehälter sind eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, betonte der Politiker. Und auch zu einem anderen aktuellen Thema fand Ruppert klare Worte: „Jeder Mensch ist gleich viel wert. Es gibt kein biblisches Fundament dafür, auf der Grundlage des Glaubens andere Menschen ausschließen zu wollen.“
Ein weit überproportionales zivilgesellschaftliches Engagement attestierte Ruppert den evangelischen Christen und berief sich auf Erkenntnisse des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung. Hier käme den Christen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft zu. Andererseits würde er einen zunehmenden Relevanzverlust der Religion feststellen. „Hier wünsche ich mehr Bekennermut – Christen dürfen sich nicht in die Passivität drängen lassen!“
Für den gesellschaftlichen und politischen Diskurs wünschte sich der Oberurseler Ruppert eine wertschätzende Haltung und ein Ernstnehmen von Ängsten in Verbindung mit einem nüchternen Pathos. „Auf der Grundlage des Grundgesetzes muss eine demokratische Gesellschaft Konflikte austragen und austragen können. Für einen regelbasierten Konflikt sind Zuhören und Kompromissbereitschaft wichtig.“ Es müsse theoretisch möglich sein, dass die Kraft des Arguments dazu führe, dass eine Minderheit zur Mehrheit wird. Und das tolerante Zulassen von anderen Standpunkten und die Notwendigkeit eines regelbasierten Diskurses bezog Ruppert nicht nur auf die Politik, sondern auf alle Bürger und zitierte in diesem Zusammenhang den Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde. „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Bürger engagieren und den Staat als Gemeinschaft wahrnehmen, so Ruppert. „Oft höre ich in Gesprächen, die Politik müsste dies und jenes tun. Aber die Politik, das sind nicht ‚die da oben‘, sondern das sind wir alle!“
Download Rede Dr. Ruppert als pdf-Dokument (entspricht nicht ganz der am 25.10.2018 gehaltenen Rede) ... (94,22 KB)
„Kleinigkeiten lösen Empörungsstürme aus, es herrscht ein Kima der allgemeinen Beunruhigung und die Individualisierung sowie die Beschleunigung des Lebens nehmen zu“, attestierte Dr. Stefan Ruppert der deutschen Gesellschaft zu Beginn seiner Rede. Zusammenhalt werde außerdem auch nicht durch das zunehmende Verschmelzen von Arbeit und Privatleben gefördert. „Wenn ich nach Hause komme, werde ich zunächst entwaffnet“, erzählte Ruppert schmunzelnd. „Meine Frau fordert mich nämlich dann auf, Mobiltelefon und Laptop auszuschalten“. Und wie solle für zivilgesellschaftliches Engagement und die Familie noch Zeit bleiben, wenn immer mehr Menschen fast permanent nur für sich und ihre Arbeit lebten? „Wer nur für sich und seinen Vorgarten lebt, der vereinsamt“, stellte Ruppert fest. In den Vereinen sei es nicht einfach, Engagierte für die ehrenamtliche Arbeit zu finden. Obwohl in den Vereinen viel passiere, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördere. Außerdem trage die örtliche Entgrenzung des Erwerbslebens nicht zum sozialen Zusammenhalt bei: Denn wer aus beruflichen Gründen regelmäßig umziehen müsse oder weite Wege zur Arbeit hätte, der komme nur zum Schlafen nach Hause. „Der Begriff Heimat ist in der letzten Zeit zu Unrecht diskreditiert worden“, sagte Ruppert. Einen Ort als Heimat zu empfinden, sei die Grundlage für lokales soziales Engagement und Gemeinschaft. Das ökonomische Handeln müsse durch kulturelle und soziale Rahmenbedingen ergänzt werden. Nur so kann sozialer Zusammenhalt entstehen. „Das Wirtschaftliche wurde in der letzten Zeit überhöht. Spitzengehälter sind eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, betonte der Politiker. Und auch zu einem anderen aktuellen Thema fand Ruppert klare Worte: „Jeder Mensch ist gleich viel wert. Es gibt kein biblisches Fundament dafür, auf der Grundlage des Glaubens andere Menschen ausschließen zu wollen.“
Ein weit überproportionales zivilgesellschaftliches Engagement attestierte Ruppert den evangelischen Christen und berief sich auf Erkenntnisse des Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung. Hier käme den Christen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft zu. Andererseits würde er einen zunehmenden Relevanzverlust der Religion feststellen. „Hier wünsche ich mehr Bekennermut – Christen dürfen sich nicht in die Passivität drängen lassen!“
Für den gesellschaftlichen und politischen Diskurs wünschte sich der Oberurseler Ruppert eine wertschätzende Haltung und ein Ernstnehmen von Ängsten in Verbindung mit einem nüchternen Pathos. „Auf der Grundlage des Grundgesetzes muss eine demokratische Gesellschaft Konflikte austragen und austragen können. Für einen regelbasierten Konflikt sind Zuhören und Kompromissbereitschaft wichtig.“ Es müsse theoretisch möglich sein, dass die Kraft des Arguments dazu führe, dass eine Minderheit zur Mehrheit wird. Und das tolerante Zulassen von anderen Standpunkten und die Notwendigkeit eines regelbasierten Diskurses bezog Ruppert nicht nur auf die Politik, sondern auf alle Bürger und zitierte in diesem Zusammenhang den Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde. „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist.“ Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Bürger engagieren und den Staat als Gemeinschaft wahrnehmen, so Ruppert. „Oft höre ich in Gesprächen, die Politik müsste dies und jenes tun. Aber die Politik, das sind nicht ‚die da oben‘, sondern das sind wir alle!“
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