Bad Homburg, 21.10.2020 12:14 Uhr
Respekt braucht Liebe
Ursula Trippel (Foto: JM Meier)
Wenn jemand Respekt oder Achtung bekommt, kann sich das darauf beziehen, dass er oder sie eine besondere Persönlichkeit ist, die überzeugend Werte vertritt oder auch besondere Leistungen vollbracht hat für die Gemeinschaft. Respekt wird aber oft einfach nur deswegen eingefordert, weil eine Person sich überlegen fühlt, stolz ist, oder weil sie durch eine Position innerhalb einer Hierarchie den Gehorsam oder die Unterwerfung anderer glaubt einfordern zu können.
Davor sind Religionen nicht gefeit. Wenn jemand „Respekt“ vor seinem Glauben verlangt, kann das heißen: „Ich möchte, dass du mich mit meinen Glauben akzeptierst und gelten lässt.“ Oder es kann heißen: „Ich möchte, dass du dich meinen Regeln unterwirfst, denn sie sind allen anderen Ansichten überlegen.“ Da sollte man gut hinhören und unterscheiden, wenn man im Gespräch ist.
Im Christentum spielt das Wort „Liebe“ eine deutlich größere Rolle als der Respekt/die Achtung.
Das liegt schon in der Wurzel, die sich ja auf einen bezieht, der in verachtungsvoller Weise zu Tode kam am Kreuz. Und dass diese Erfahrung sich verbunden hat mit der davor erlebten Liebe und Hingabe von Jesus. Die Idee ist: wenn Gottes Liebe sich nicht darin äußert, dass andere unterworfen werden, sondern sich darin äußert, dass diese Liebe stärker ist als Gewalt und Tod, dann geht es im Zusammenleben um mehr als um Respekt und Achtung. Darum liegt allen frühchristlichen Schriften so viel daran, dass ein neuer Umgang miteinander gilt: einander dienen, anstatt übereinander herrschen – einer den anderen höher achten- einander lieben.
Im Neuen Testament wird das Gebot der Nächstenliebe aus dem Judentum radikalisiert. Und so heißt es bald scharf für das Zusammenleben als Gemeinde „Wenn jemand spricht: ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht.“ (1.Johannes 4,20).
Manchmal denke ich: Genau deswegen ist es ja leichter, Gott zu lieben! Gott ist unsichtbar, Wort, Geist, manchmal fern oder ganz nah in friedvollen Momenten. Auf jeden Fall gerät man mit Gott nicht so leicht aneinander im Alltag wie mit seinen Mitmenschen. Auch scheint Gott selbst im Gegensatz zu manchen Zeitgenossen nicht streitlustig über banale Themen zu sein. Nachtragend oder unzuverlässig sein, Neid, Eitelkeit und Konkurrenz, die unser Miteinander immer wieder schwer machen, scheinen auch nicht so Recht die Sache Gottes zu sein. Anscheinend hat der unsichtbare Gott auch noch gefallen an unterschiedlichen Lebensstilen und an unterschiedlicher Art und Weise mit ihm zu feiern und zu sprechen. Das alles ist mit den Mitmenschen, die gut sichtbar sind, doch oft deutlich komplizierter.
Diese Ermahnung ist für mich darum eine Ermutigung. Es ist nicht immer leicht mit anderen Menschen – und auch in einer Gemeinde ist nicht alles einfach miteinander. Liebe – im Sinne dieser Aussage - verbindet Herzenszuwendung mit Respekt. Die Herzenszuwendung führt dazu, das Wesen des anderen verstehen zu wollen. Die Liebe zum „Bruder“ oder zur „Schwester“ bedeutet, den anderen nicht fallen zu lassen, ihm oder ihr das zu gönnen, was er oder sie für seine/ihre Entfaltung braucht. Liebe bedeutet, Konflikte nicht auszutragen, um zu „gewinnen“ und um den anderen klein zu machen, sondern um zu klären, wie es zu einer Lösung kommt, die zufrieden macht. Nachgeben kann eine Stärke sein, weil das Band, das verbindet, dann elastisch ist und nicht so schnell zerreißt.
Respekt der mit Liebe verbunden ist, kann die Andersartigkeit des anderen gelten lassen. Auch ohne die Person zu verstehen. Und ohne sie dazu bringen zu wollen, sich den eigenen Vorstellungen anzupassen.
Wo Liebe und Respekt miteinander verbunden sind, bleiben Menschen in einer guten Verbindung und können bei unterschiedlicher Art positives in einander hervorrufen.
Andacht von Pfarrerin Ursula Trippel (Kirchengemeinde Anspach)
„Hast du keinen Respekt?“ Diese Frage wird oft nicht einfach gestellt, sondern schon etwas aggressionsgeladen hervorgestoßen. Jemand hat eine Grenze überschritten und bekommt sozusagen verbal die rote Karte gezeigt. In unserer Gesellschaft, in denen große Freiheit in den Umgangsformen herrscht und die Bedeutung von Werten kulturell -religiös, sozial und politisch durchaus unterschiedlich gesehen wird, wird das Wort „Respekt“ entsprechend groß geschrieben. Damit soll festgeschrieben werden: wir sind unterschiedlich, und diese Unterschiedlichkeit ist in Ordnung. Dem Anderssein des anderen gebührt Respekt. Das gilt auch im Privaten. Wenn ich alte Ehepaare danach frage, wie ihnen ihr Zusammenleben über so viele Jahre gelungen ist, dann ist oft die Antwort: „Man darf den Respekt voreinander nicht verlieren.“ Das Wort Respekt bedeutet Achtung, Anerkennung.Wenn jemand Respekt oder Achtung bekommt, kann sich das darauf beziehen, dass er oder sie eine besondere Persönlichkeit ist, die überzeugend Werte vertritt oder auch besondere Leistungen vollbracht hat für die Gemeinschaft. Respekt wird aber oft einfach nur deswegen eingefordert, weil eine Person sich überlegen fühlt, stolz ist, oder weil sie durch eine Position innerhalb einer Hierarchie den Gehorsam oder die Unterwerfung anderer glaubt einfordern zu können.
Davor sind Religionen nicht gefeit. Wenn jemand „Respekt“ vor seinem Glauben verlangt, kann das heißen: „Ich möchte, dass du mich mit meinen Glauben akzeptierst und gelten lässt.“ Oder es kann heißen: „Ich möchte, dass du dich meinen Regeln unterwirfst, denn sie sind allen anderen Ansichten überlegen.“ Da sollte man gut hinhören und unterscheiden, wenn man im Gespräch ist.
Im Christentum spielt das Wort „Liebe“ eine deutlich größere Rolle als der Respekt/die Achtung.
Das liegt schon in der Wurzel, die sich ja auf einen bezieht, der in verachtungsvoller Weise zu Tode kam am Kreuz. Und dass diese Erfahrung sich verbunden hat mit der davor erlebten Liebe und Hingabe von Jesus. Die Idee ist: wenn Gottes Liebe sich nicht darin äußert, dass andere unterworfen werden, sondern sich darin äußert, dass diese Liebe stärker ist als Gewalt und Tod, dann geht es im Zusammenleben um mehr als um Respekt und Achtung. Darum liegt allen frühchristlichen Schriften so viel daran, dass ein neuer Umgang miteinander gilt: einander dienen, anstatt übereinander herrschen – einer den anderen höher achten- einander lieben.
Im Neuen Testament wird das Gebot der Nächstenliebe aus dem Judentum radikalisiert. Und so heißt es bald scharf für das Zusammenleben als Gemeinde „Wenn jemand spricht: ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht.“ (1.Johannes 4,20).
Manchmal denke ich: Genau deswegen ist es ja leichter, Gott zu lieben! Gott ist unsichtbar, Wort, Geist, manchmal fern oder ganz nah in friedvollen Momenten. Auf jeden Fall gerät man mit Gott nicht so leicht aneinander im Alltag wie mit seinen Mitmenschen. Auch scheint Gott selbst im Gegensatz zu manchen Zeitgenossen nicht streitlustig über banale Themen zu sein. Nachtragend oder unzuverlässig sein, Neid, Eitelkeit und Konkurrenz, die unser Miteinander immer wieder schwer machen, scheinen auch nicht so Recht die Sache Gottes zu sein. Anscheinend hat der unsichtbare Gott auch noch gefallen an unterschiedlichen Lebensstilen und an unterschiedlicher Art und Weise mit ihm zu feiern und zu sprechen. Das alles ist mit den Mitmenschen, die gut sichtbar sind, doch oft deutlich komplizierter.
Diese Ermahnung ist für mich darum eine Ermutigung. Es ist nicht immer leicht mit anderen Menschen – und auch in einer Gemeinde ist nicht alles einfach miteinander. Liebe – im Sinne dieser Aussage - verbindet Herzenszuwendung mit Respekt. Die Herzenszuwendung führt dazu, das Wesen des anderen verstehen zu wollen. Die Liebe zum „Bruder“ oder zur „Schwester“ bedeutet, den anderen nicht fallen zu lassen, ihm oder ihr das zu gönnen, was er oder sie für seine/ihre Entfaltung braucht. Liebe bedeutet, Konflikte nicht auszutragen, um zu „gewinnen“ und um den anderen klein zu machen, sondern um zu klären, wie es zu einer Lösung kommt, die zufrieden macht. Nachgeben kann eine Stärke sein, weil das Band, das verbindet, dann elastisch ist und nicht so schnell zerreißt.
Respekt der mit Liebe verbunden ist, kann die Andersartigkeit des anderen gelten lassen. Auch ohne die Person zu verstehen. Und ohne sie dazu bringen zu wollen, sich den eigenen Vorstellungen anzupassen.
Wo Liebe und Respekt miteinander verbunden sind, bleiben Menschen in einer guten Verbindung und können bei unterschiedlicher Art positives in einander hervorrufen.