Bad Homburg, 01.03.2021 15:21 Uhr
Wie hat sich Ihre Arbeit als Pfarrerin in den Hochtaunuskliniken während der Pandemiezeit verändert?

… so wurde ich von Ihrem Redaktionsteam gefragt. *
Mit dem ersten Teil-Lockdown gab es wesentliche Veränderungen für meine seelsorgliche Arbeit. Eine neue Situation entstand dadurch, dass alle ehrenamtlich tätigen Personen die Klinik nicht mehr betreten durften. Davon waren auch die kirchlichen Ehrenamtlichen betroffen: der Besuchsdienst und 16 Ehrenamtliche, die Patientinnen und Patienten zu den Gottesdiensten abholen.Sie alle haben wir informiert und mussten erklären, warum ihre so geschätzte Tätigkeit nicht mehr möglich war. „Wie lange wird das dauern?“ war die Frage, auf die wir ihnen nicht antworten konnten. Daran hat sich bis jetzt im März 2021 nichts geändert.
Als Pfarrerin besuche ich täglich Menschen im Krankenzimmer, aber würden wir das uneingeschränkt weiter tun können, gefährden wir nicht vielleicht die Kranken dadurch und uns selbst auch? Werden wir ausreichend Schutzkleidung bekommen können bei knappen Ressourcen?
Ähnlich wie in den Gemeinden bedurfte es vieler Gespräche, die Bestimmungen mussten ausgelegt und angewendet werden. Und je angespannter die Situation in Deutschland wurde, weil es erste Infektionsgeschehen auch in unserer Umgebung gab, umso deutlicher wurde, dass wir gerade mit unserer Kompetenz gebraucht werden.
In der Klinik war es eine bewusste Entscheidung, dass wir weiter dort arbeiten dürfen und sollen, um das Personal und die Erkrankten zu unterstützen. Und unsere Kirche stand auch zu diesem Dienst, den wir weiter ausüben wollen.
Die Patientinnen und Patienten durften keine Angehörigenbesuche mehr bekommen. Eine Maßnahme, die wir ja nicht zu beurteilen hatten, mit deren Folgen wir aber gemeinsam mit allen Betroffenen umgehen mussten. Viele Erkrankte hatten großes Verständnis für diese Klinikregeln, denn sie fürchteten selbst, dass zahlreiche Kontakte für alle mehr Infektionsrisiko bedeuten. Aber die Einsamkeit war auch groß, gerade für diejenigen, die eine lange Verweildauer hatten.
Unsere Besuche in den Zimmern wurden noch einmal wertvoller: die eigene Sorge mit einem Menschen teilen können, über die Erkrankung und Heilung mit der Seelsorgerin sprechen können, das schätzten und schätzen fast alle. Das Personal ruft uns häufig, wenn es merkt, dass Gespräche helfen.
Bei meinem Besuch bringe ich Zeit mit und auch ein gemeinsames Gebet kann helfen, die eigene Bitte und Sehnsucht zum Ausdruck zu bringen. Jede Behandlungszeit in einer Klinik macht uns bewusst, dass wir „nicht alles im Griff haben“, deshalb war es schon immer ein wichtiges Thema, wie man Halt und Zuversicht für sich finden kann. Das ist derzeit natürlich durch die Virusgefährdung für uns alle ein noch drängenderes Thema, über das wir mit den Menschen sprechen.
Für uns als Seelsorgerinnen (ich arbeite eng mit der kath. Pastoralreferentin Christine Walter-Klix zusammen) wurde die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden der Klinik noch einmal viel enger: welche Hygienemaßnahmen sind jetzt dran, zu welchen Patientinnen und Patienten können wir gehen, wo sollen wir die Testergebnisse abwarten? Wie können wir unterstützen? Über 450 Patient*innen sind in Behandlung, ohne dass sie an Covid erkrankt wären.
Und auf den Isolierstationen haben wir zunächst den Kontakt über Telefon oder über das Personal gesucht. Später konnten wir ebenso dort Besuche machen und tun das bis heute.
Anrufe bei Angehörigen gehörten ab jetzt zu unserer täglichen Routine und das ist noch immer so. Denn die oft im Fernsehen gezeigte Video-Telefonie ist keineswegs überall möglich. Schwer Erkrankte halten sich kein Handy oder Tablet vor`s Gesicht, es kostet sie alle Mühe, mit einem Telefonhörer ein Gespräch zu führen. Das begleiten oder ermöglichen wir öfters, ebenso wie es das Pflegepersonal tut.
Wie in den Gemeinden mussten auch unsere Gottesdienste in der Kapelle ausfallen. Zu jeder Zeit haben wir aber diesen Raum mit Blumenschmuck und geistlichen Impulsen gestaltet: denn die Angestellten der Klinik und manche Patient*innen suchen dort die Stille und ein wenig Abstand vom Alltag. Hier können sie durchatmen und für kurze Zeit Kraft sammeln. An Weihnachten gab es eine musikalische Feier an der Krippe.
Von der Klinikleitung bekamen wir im März den Auftrag, in einem Notfallteam für psychosoziale Fragen mitzuarbeiten. Tag und Nacht sollten Menschen mit ihren Fragen eine Anlaufstelle haben.
"Wie geht denn das: „Seelsorge mit der gebotenen Distanz“, mit Handschuhen und Mundschutz?", werden wir manchmal gefragt. Tatsächlich haben wir alle uns in der Klinik ein wenig gewöhnen müssen an solche Distanz. Auch die Patient*innen fordern aber die Schutzmaßnahmen inzwischen. Anfangs wurde uns noch die Hand angeboten, inzwischen streifen alle ihren Mundschutz über sobald jemand das Zimmer betritt. Es geht für mich weiterhin darum, dass wir da sind für die Menschen, ansprechbar für das, was sie gerade beschäftigt. Und das können wir auch mit dieser gewissen Distanz tun. Gespräche und Nähe sind dennoch möglich, das merken wir nach all den Monaten.
Im Sommer kam in der Klinik durch manche Lockerungen wieder eine weniger angespannte Zeit: wichtige Zeit zum Aufatmen!
Aber im Herbst begannen mit den strengeren Bestimmungen auch für uns erneut große Herausforderungen. Anderes hat sich eingespielt und ist für uns leicht und selbstverständlich geworden: Schutzkleidung ist seit langem ausreichend vorhanden. So können wir alle Besuche machen, die gewünscht sind. Angehörige, die auf die Isolierstation kommen dürfen, begleiten wir in dieser ungewohnten und verunsichernden Situation und bieten auf diese Weise etwas Sicherheit.
Eine hohe Anzahl von Erkrankten auf den Covid-Stationen bedeutet für uns auch, dass wir öfter mit Angehörigen telefonieren, die erfahren wollen, wie es den Patienten geht oder was sich verbessert hat. Wir können Nachrichten auf Wunsch übermitteln und auf kurzem Weg Grüße überbringen. Wie gut diese Möglichkeit ist!
Welches Klima herrscht unter den Mitarbeitenden?
Im Frühjahr letzten Jahres gab es ein starkes Wir-Gefühl in der gesamten Klinik: Allen war klar, dass wir jetzt Außergewöhnliches würden leisten müssen, aber dass es auch zu schaffen sein wird, wenn wir uns gegenseitig stärken und durchhalten.
Inzwischen ist der Zusammenhalt immer noch gut, aber die dauerhaft hohen Anforderungen und immer neuen Veränderungen (Stationsteams ändern sich, Arbeitsorte müssen wechseln, Notdienste sind ausgedehnt, Erkrankungen unter den Mitarbeitenden haben uns gezeigt, wie gefährlich das Virus ist) zehren an der Kraft aller. Die Gespräche mit den Mitarbeitenden gehören ins Zentrum unserer Tätigkeit, denn auch sie brauchen Fürsorge und Entlastung.
Deshalb sind wir froh und dankbar, wieviel Hilfreiches wir mit unserem kirchlichen Dienst in der Klinik leisten können! Das hat die Pandemie noch einmal unterstrichen.
Wie bin ich zu erreichen? Sie können mich anrufen oder eine E-Mail schreiben:
Tel: 06172/14-3478 Email: margit.bonnet (at) hochtaunus-kliniken (dot) de
* Dieser Beitrag wurde im März 2021 veröffentlicht im Gemeindebrief der Evangelischen Waldenser-Kirchengemeinde, Bad Homburg / Dornholzhausen.