Geistliche Impulse
Die Herrnhuter Tageslosung
Bad Homburg, 08.03.2021 13:26 Uhr

Das Weib schweige in der Gemeinde … besser nicht!

Andacht von Dr. Tobias Krohmer (Referent für Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Dekanat Hochtaunus)

Der Weltfrauentag am 8. März erinnert daran, dass Frauen und Männer gleichgestellt sein sollen. Zum 100. Mal wird in diesem Jahr der Tag am 8. März begangen. Erst zum 100. Mal möchte man sagen. Es ist unfassbar, dass erst seit dieser kurzen Zeit die Gleichstellung der Geschlechter selbstverständlich sein soll. Noch unfassbarer ist freilich, dass sie nach wie vor nicht vollständig erreicht ist.

Dass dieses Ziel nicht früher angegangen, dass die Vorstellung, Männer seien den Frauen überlegen, nicht schon längst beseitigt worden ist, hat durchaus auch mit der christlichen Tradition zu tun. Dass Frauen z. B. nicht als Pfarrerinnen geeignet seien, war eine nicht zuletzt auf den Apostel Paulus zurückgehende Position. Im 1. Korintherbrief schreibt er, die Frauen sollten in der Gemeinde schweigen, man sollte ihnen also kein Mitspracherecht geben.

Diese Haltung hätte eigentlich schon zu Paulus Zeiten unhaltbar sein müssen. In der Bibel wird immerhin von vielen Frauen berichtet, bei denen es geradezu fatal gewesen wäre, wenn sie einfach den Mund gehalten und sich den Männern untergeordnet hätten. So wird etwa im Buch Exodus von den Hebammen Pua und Schifra erzählt, die vom Pharao den Auftrag erhielten, alle männlichen Neugeborenen der Hebräerinnen bei der Geburt zu töten. Diesem Auftrag widersetzten sie sich dann nicht nur, sondern, als sie vom Pharao zur Rede gestellt wurden, schwindelten sie ihn noch an und behaupteten, die hebräischen Frauen seien so patent, dass immer, wenn sie ankämen und Geburtshilfe leisten wollten, die Entbindung schon stattgefunden hätte und die Kinder versorgt wären.

Dass Paulus trotzdem diese sexistische Position bezieht, ist fast schon absurd, versteht er seine ganze Existenz doch von der Botschaft des auferstandenen Christus her. Von der hätte er allerdings nie etwas gehört, wenn nicht mit dem Gekreuzigten befreundete Frauen den Mut besessen hätten, zu seinem von Soldaten bewachten Grab zu gehen, während seine männlichen Kumpel zitternd und bibbernd hinter verschlossener Tür saßen. Vom leeren Grab und der Auferstehung des Gekreuzigten hätte überhaupt niemand etwas erfahren, wenn die Frauen die Weisung des Paulus befolgend den Mund gehalten hätten.

Dass zumindest in der evangelischen Kirche heute Frauen nicht nur Pfarrerinnen, sondern auch leitende Geistliche werden können, ist daher nicht dem Zeitgeist geschuldet. Es ist kein Bruch mit der christlichen Tradition, keine Anbiederung an ein angebliches „Gender-Gaga“ unserer Epoche und es ist schon gar kein Verrat am Evangelium. Es ist vielmehr die folgerichtige Fortführung dessen, was uns das Evangelium erzählt. Und daher können und sollten Christ*innen den Weltfrauentag, auch wenn er weder aus der kirchlichen Tradition stammt noch Teil des Kirchenjahrzyklus‘ ist, begeistert mitfeiern und daran mitwirken, dass er irgendwann einmal wirklich nur noch ein Gedenktag ist, an dem man sich an eine Vergangenheit erinnert, mit der wir abgeschlossen und die wir vollständig hinter uns gelassen haben.
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Dekanat Bad Homburg Evangelisches Dekanat Hochtaunus, Dekanat Bad Homburg

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