Geistliche Impulse
Die Herrnhuter Tageslosung
Bad Homburg, 30.12.2021 11:23 Uhr

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen

Andacht von Dr. Tobias Krohmer, Referent für Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche im Hochtaunus

Einige Gemeinden mögen sich in letzter Zeit für 2022 eine andere Jahreslosung gewünscht haben. Nämlich die, die sich entschieden haben, bei Gottesdiensten das 2G-Modell anzuwenden, also nur Genesene und Geimpfte zum Gottesdienst zuzulassen. Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, halten diesen Gemeinden die Jahreslosung entgegen und werfen ihnen Verrat an der Botschaft Christi vor.

Zweifelsohne wird in den Worten der Jahreslosung die Botschaft artikuliert: In Christus begegnet uns die Liebe Gottes, von der niemand ausgenommen ist. Und natürlich ist es Aufgabe der Kirche, diese Botschaft in die Welt zu tragen, sie real werden zu lassen, also dieselbe Offenheit gegenüber den Menschen an den Tag zu legen, die in den Worten Christi ausgedrückt wird. Aber heißt das dann zwangsläufig, dass Kirchengemeinden in einer Situation wie der aktuellen jegliche Vorsicht fallen lassen und keine Vorkehrungen zum Schutz besonders verletzlicher Gemeindemitglieder treffen sollten?

Entscheidet sich eine Gemeinde für 2G, dann sicher nicht, weil sie Menschen ausschließen will, sondern um Menschen zu schützen. In manchen Gemeinden ist das z. B. aufgrund der räumlichen Gegebenheiten anders schlichtweg nicht möglich – abgesehen davon, dass für einige ein 3G-Modell sowieso keine akzeptable Alternative wäre, da sie Testungen ebenfalls kategorisch ablehnen. Als einzig „gerechte“ Option bliebe wohl nur, die Gottesdienste gar nicht mehr live zu machen, sondern ausschließlich online.

Aber so richtig gerecht wäre das eben auch nicht. Denn zum einen können nicht alle Gemeindemitglieder ein Online-Angebot in Anspruch nehmen. Zum anderen ist für manche der Sonntagsgottesdienst eine der wenigen Möglichkeiten, wenn nicht sogar die einzige, überhaupt soziale Kontakte zu haben. Letzteres gilt besonders für die Hochbetagten, die teilweise zu den treuesten Gottesdienstbesuchern gehören. Sie sind es zugleich, die auch besonders gefährdet sind durch eine Corona-Infektion.

Gemeinden, die sich für 2G entschieden haben, haben sich daher nicht gegen die Worte der Jahreslosung entschieden, sondern dafür, diese Worte für eine Gruppe von Menschen sehr ernst zu nehmen: für die gefährdeten Älteren. Keine Vorsichtsmaßnahmen oder laxere zu treffen, hätte nämlich bedeutet, viele davon auszuschließen. Für etliche wäre der Kirchgang keine Option mehr gewesen, wenn er für sie mit einem erhöhten Risiko verbunden gewesen wäre. Der Vereinsamung, von der Hochbetagte weit stärker als andere Bevölkerungsteile betroffen sind, wäre dann Vorschub geleistet worden.

Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Das ist kein Anspruch, auf den man pochen könnte, um sich uneingeschränkter Freiheit und Selbstbestimmung zu vergewissern. Es ist ein Zuspruch für jene, die die Gewissheit brauchen, liebevoll angenommen zu sein. Diesen Zuspruch Wirklichkeit werden zu lassen, ist Aufgabe der Kirche.
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