Bad Homburg, 15.05.2023 11:19 Uhr
"Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“
Andacht von Dekan Michael Tönges-Braungart
Christi Himmelfahrt – ein Feiertag, den viele für ein verlängertes Wochenende nutzen jetzt im Mai, wo alles in der Natur sprießt und blüht. Insofern ein beliebter Feiertag. Aber was ist sein Ursprung? Was wird an Christi Himmelfahrt gefeiert?Wollte man’s auf eine kurze Formel bringen, könnte man sagen: Himmelfahrt ist noch einmal Ostern – aber mit anderer Blickrichtung. Ostern, die Auferweckung Jesu Christi von den Toten hat naturgemäß noch eine Perspektive nach rückwärts, in die Vergangenheit. Zu Ostern gehört noch der Blick aufs leere Grab; zu Ostern gehört noch der Blick auf Leiden und Sterben Jesu.
Himmelfahrt dagegen richtet unseren Blick auf die Zukunft; auf die Zukunft Jesu Christi, auf unsere eigene Zukunft und die Zukunft der Welt.
Mit der Geschichte von Himmelfahrt in der Bibel (Neues Testament, (Lukasevangelium, Kapitel 24 und Apostelgeschichte, Kapitel 1) hat die frühe Christenheit eine Erfahrung zu bewältigen versucht. Nämlich die Tatsache, dass die Erscheinungen des auferstandenen Christus irgendwann einmal aufhörten – etwa 40 Tage nach Ostern. Bis dahin war er immer wieder Menschen erschienen, einzelnen und auch größeren Gruppen. Danach aber nicht mehr. Etwas salopp gesagt: Auf einmal war Jesus weg – nicht mehr sichtbar und hörbar, nicht mehr greifbar für die Jünger und andere. Wo war er nun?
Eine Antwort auf diese Frage gibt die Geschichte von der Himmelfahrt: Jesus ist bei Gott. Und wo ist Gott? Oben im Himmel.
Nun kann man diese Erklärung ein wenig schlicht finden und denken, dass sie nichts für aufgeklärte Zeitgenossen ist. Aber das trifft nur dann zu, wenn man sie wörtlich nimmt und nicht als Bild. Denn „Himmel“ und „oben“ sind nicht in erster Linie eine Ortsangabe.
„Oben“ - das ist immer auch ein Bild für Macht und Einfluss, für Bedeutsamkeit und Herrschaft. Wir reden von „denen da oben“ und meinen die Menschen, die Einfluss und Macht haben. „Oben“ ist der, „oben“ sind die, die die Macht haben; „oben“ sind die Herrschenden. Wenn also von Gott „oben“ im Himmel gesprochen wird, dann ist das nicht eine Aussage darüber, wo Gott ist; sondern eine Aussage darüber, wie Gott ist; eine Aussage über seine unbegrenzte Macht und Größe. Und wenn es heißt, dass Jesus nach „oben“ in den Himmel aufgefahren ist, dann ist das ebenfalls keine Aussage darüber, wo er ist, sondern eine Aussage darüber, wie er ist: nämlich wie Gott – mächtig und groß; nicht gebunden an Kategorien von Raum und Zeit, nicht eingesperrt in menschliche Denkmuster und in menschliches Vorstellungsvermögen.
Das meint der Satz: Jesus ist aufgefahren in den Himmel. Die englische Sprache ist da etwas differenzierter als unsere. Sie kennt zum einen „sky“ – und das meint den Himmel, an dem die Wolken ziehen und in dem Flugzeuge herumfliegen, ja auch das Weltall, in das wir Satelliten schießen. Und sie hat einen zweiten Begriff: „heaven“ – und der meint den Himmel im übertragenen Sinn als Gegenwart Gottes; als Ziel menschlicher Träume und Sehnsüchte; als Ort des Glücks und der Erfüllung. Auf Englisch heißt es deshalb im Vater Unser: Our Father in heaven.
Christi Himmelfahrt bedeutet: Jesus ist da, wo Gott ist. Und Gott ist überall; er umgibt mich wie die Luft, die wir atmen. Ich kann ihn nicht greifen und fassen, nicht festlegen und definieren. Denn Gott ist überall. Und deshalb ist der Himmel überall. Denn wo Gott ist, da ist der Himmel.
Ein Stück vom Himmel erlebe ich immer wieder. Dann, wenn ich mich Gott nahe fühle; wenn ich glücklich bin; wenn ich weiß und spüre: Jetzt ist mein Leben gut und erfüllt. Und wenn ich zusammen mit anderen die Erfahrung mache, dass Jesus mit seinem Geist der Liebe und der Freiheit unter uns wirkt. So wie er es zugesagt hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“