Bad Homburg, 28.01.2021 15:38 Uhr
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen"

Andacht von Michael Tönges-Braungart, Pfarrer und Dekan, Evangelisches Dekanat Hochtaunus
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“Das hat Jesus gesagt in seiner bekannten Bergpredigt, wie sie der Evangelist Matthäus überliefert hat (Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5-7).
In der Zeit der Pandemie kommt mir dieses Wort immer wieder in den Sinn. Weil ich mir natürlich Sorgen mache. So wie viele andere Menschen auch. Sorgen um meine Gesundheit und die meiner Familie. Sorgen um Menschen, die ich kenne und die an Covid19 erkrankt sind. Sorgen um Menschen, die jetzt zu vereinsamen drohen, weil ihnen die ganz alltäglichen Kontakte fehlen. Dabei muss ich mir manche Sorgen gar nicht einmal machen, die andere sehr wohl umtreiben: um meine wirtschaftliche Existenz oder meinen Arbeitsplatz.
Ich mache mir Sorgen. Und keineswegs nur um mich selber oder um die Menschen, die mir nahe sind. Mich besorgt auch, dass viele, die im Gesundheitswesen, in den Pflegediensten und -heimen arbeiten oder in Kitas und Schulen, schon lange am Limit sind. Mich besorgen die politischen Ereignisse in den USA und die politischen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auch bei uns.
Und dann geht mir dieser Satz Jesu durch den Sinn: „Sorget nicht für morgen.“ Wenn ich daran denke, wem Jesus das damals gesagt hat: Da waren viele Menschen dabei, die sozusagen von der Hand in den Mund lebten, ohne soziale Absicherung, ohne Krankenversicherung und medizinische Versorgung. Die hatten wirklich kein sorgloses Leben.
Und trotzdem – oder gerade deswegen - hat Jesus ihnen gesagt: „Sorget nicht für morgen.“
Ich verstehe diesen Satz Jesu immer mehr von seinem Ende her. „Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ Da denke ich oft: Genauso ist es. Es macht keinen Sinn, sich immer um alles Sorgen zu machen, alle Sorgen immer wieder in Gedanken hin und her zu wälzen und damit noch zu verstärken. Es macht nicht nur keinen Sinn, es kann einen auch nahezu erdrücken.
Vielleicht ist es ja besser, an jedem Tag einmal für einen Moment von den Sorgen Abstand zu nehmen und sich zu fragen: Worum muss ich mir heute wirklich Sorgen machen – und was kann ich heute einmal gut sein lassen und auf morgen – oder noch später - verschieben? Welche Sorgen sind heute dran – und welche auch nicht? Was muss wirklich meine Sorge sein – und welche Sorgen kann und muss ich vielleicht auch anderen überlassen? Wo kann ich etwas tun, damit meine Sorgen kleiner werden – und wo muss ich es aushalten, dass ich nichts oder nur sehr wenig tun kann?
Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist. Vor allem dann nicht, wenn es um wirklich große Sorgen geht; wenn es „ans Eingemachte“ geht. Aber vielleicht kann man ja bei den kleineren Sorgen einen Anfang machen und sie einfach für jeden Tag „portionieren“. Und vielleicht kann man sich auch darin üben, diejenigen Sorgen loszulassen, die vor allem deshalb quälen, weil sie sich um etwas drehen, das nicht in meiner Macht steht. Gerade da bleibt mir gar nichts übrig, als sie einem anderen zu überlassen.
Als Jesus über das Sorgen gesprochen hat, hat er auch gesagt: „Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.“ Für mich bedeutet das: Gott kennt meine Sorgen – die großen und die kleinen. Vor allem, wenn sie mir zu groß werden, kann ich sie ihm überlassen. Damit ich mich dann um die kleinen selber kümmern kann – um die einen heute, und um die anderen morgen oder übermorgen.
Gott kennt meine Sorgen und weiß, was ich brauche. Er ist für mich da. Deshalb muss ich mich von meinen Sorgen nicht erdrücken lassen. Dieses Vertrauen wünsche ich mir – gerade dann, wenn die Sorgen manchmal groß oder zu groß sind.