Bad Homburg, 02.08.2021 13:41 Uhr

"Passend, aber heikel"

Andacht von Dr. Tobias Krohmer (Referent für Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Dekanat Hochtaunus)

Der für diesen Sonntag vorgesehene Predigttext könnte nicht passender sein – und zugleich nicht heikler. Denn es ist das Gleichnis vom Hausbau: Jesus sagt, wer ihn höre und ihm folge, sei wie ein kluger Mann, der sein Haus auf einem Felsen baue, so dass es bei einem Platzregen nicht davongerissen werde; wer ihn aber höre und folge ihm nicht, sei wie ein törichter Mann, dessen Haus auf Sand gebaut sei, so dass der Platzregen es davonschwemmen werde.

Ich werde am Sonntag predigen, allerdings über einen anderen Text. Nicht weil ich diesen scheue, sondern weil ich in der Usinger Predigtreihe zum Reformationsjubiläum auf der Kanzel stehe und über einen anderen als den offiziell empfohlenen Text sprechen soll. Das Gleichnis vom Hausbau wäre freilich herausfordernd gewesen.

Die Assoziation zur aktuellen Flutkatastrophe liegt so nahe. Keine Verbindung dazu zu ziehen, verbietet sich fast schon. Zugleich stellt sich die Frage: Welche Botschaft sollte man aus dem Text herausarbeiten? Dass nichts, was Dir zustoßen kann, so schrecklich ist, wenn Du nur auf Jesus hörst und ihm vertraust? Dass alles halb so wild ist und Du jeglichen Schicksalsschlag locker wegsteckst, wenn Du nur an den lieben Gott glaubst? – Mit einer solch plumpen „Pointe“ der Predigt sollte man eher nicht aufwarten. Wenn unter den Anwesenden im Gottesdienst Angehörige von Flutopfern sind, wäre es ihnen nicht zu verübeln, wenn sie diese Botschaft als zynisch empfinden.

Allerdings – was anderes könnte man in den Worten Jesu lesen als das? Vielleicht ist die Botschaft ja richtig, aber die Formulierung ist es nicht. Gewiss ist es ja nicht so, dass einem Menschen, der Jesus folgt, Schicksalsschläge nichts anhaben könnten oder gar erspart blieben. Auch Gläubige leiden, auch Gläubigen stößt Schreckliches zu, auch Gläubige können darüber verzweifeln. Den Gläubigen unter den Flutopfern wird es insofern kaum anders gehen als den Ungläubigen unter ihnen. Aber die Gläubigen können sich doch immer daran erinnern: Egal wie elend ihre Situation ist, sie sind nicht aus der Hand Gottes gefallen. Gott ist da, Gott ist bei ihnen, vereint mit ihnen – in ihrem Leiden.
Wer Jesus hört und ihm folgt, darf gewiss sein, dass Gott nicht abgehoben ist und von dem, wie es den Menschen geht, unberührt bleibt. Wer Jesus hört und ihm folgt, darf gewiss sein, dass uns, wie Paulus schreibt, nichts trennen kann von der Liebe Gottes – auch wenn es sich konkret ganz anders anfühlen mag. Denn wer Jesus hört und ihm folgt, hört und folgt der Mensch gewordenen Liebe Gottes, die sich in einer uneingeschränkten Nähe zu den Menschen äußert, einer Nähe, die das Leid und das Elend, das auch immer Teil des menschlichen Lebens ist, nicht verleugnet, sondern es annimmt und mit erträgt.