Andacht von Dr. Tobias Krohmer (Referent für Gesellschaftliche Verantwortung der Ev. Kirche im Hochtaunus)
Der 1. September ist dieses Jahr ein wichtiges Datum. Zum achtzigsten Mal jährt sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Für mich gibt es noch zwei andere wichtige achtzigste Jubiläen in diesem Jahr: die Geburtstage meiner Eltern. Beide sind 1939 geboren. In letzter Zeit treibt mich mehr und mehr eine Sorge um: Was, wenn meine Eltern nicht nur die ersten Jahre ihres Lebens im Krieg verbringen mussten, sondern genötigt wären, auch ihr Leben in Kriegszeiten zu beschließen? Angesichts der weltpolitischen Entwicklungen kann einem schon angst und bange werden. Das Fortbestehen des Friedens in Europa scheint zumindest keine Selbstverständlichkeit mehr.Sorge und Angst sind freilich wenig hilfreiche Reaktionen im Angesicht drohenden Unheils. Dem Unheil sollte man vielmehr widerstehen, ihm entgegentreten, mit ganzer Kraft, ganzem Mut und – voller Zuversicht. Vor allem die Zuversicht scheint notwendig. Denn Kraft kann man nur aufbringen, wenn man Mut hat. Und Mut kann man nur in sich finden, wenn man zuversichtlich ist. So hängt alles von der Zuversicht ab. Woher aber die Zuversicht nehmen, wenn nicht gerade viel, vielleicht sogar gar nichts für einen guten Ausgang zu sprechen scheint?
Aus christlicher Sicht ist die Antwort hierauf zugleich einfach und nicht einfach: Quelle für Zuversicht ist für Christinnen und Christen ihr Glaube. Der Glaube daran, dass der Lauf der Dinge am Ende in guten Händen liegt, in den Händen Gottes, der im Buch Jeremia die Zusage macht: „Ich weiß, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ Diese Antwort mag man allzu schlicht oder sogar naiv finden. Sie ist es aber nicht. Denn auch Christinnen und Christen fällt es nicht leicht, an ein gutes Ende zu glauben, wenn der Weltlauf in eine andere Richtung zu gehen scheint.
Was mir aber hilft, den Glauben doch zu finden, ist die Gemeinschaft von Menschen, die den Glauben an den guten Ausgang teilen. Alleine gelassen mit meiner Sorge um meine Eltern im Angesicht des Laufs der Welt fühle ich mich ohnmächtig. Aber Seite an Seite mit Menschen, die an das Gute glauben und das Gute wollen, fühle ich mich bestärkt, ermutigt und zuversichtlich – bestärkt, ermutigt und zuversichtlich, dass es möglich ist, dem Rad der Geschichte in die Speichen zu fallen, wie Bonhoeffer sagt. Vielleicht sollten wir uns in diesen Zeiten mehr darauf besinnen, dass Kirche genau das sein soll: ein Resonanzraum für positive Gefühle, eine Stätte des gemeinschaftlichen Empowerments und damit ein Ort, an dem eine Veränderung der Welt zum Besseren hin beginnen kann. Für eine solche Kirche einzutreten, haben mich jedenfalls meine Eltern gelehrt.