Geistliche Impulse
Die Herrnhuter Tageslosung
Bad Homburg, 21.08.2017 15:28 Uhr

Alles hat seine Zeit: Moderne Technik und die Techniken der Mitmenschlichkeit

(von Pfarrer Hans-Jörg Wahl, Usingen) Am Mittwoch brechen wieder Konfirmandengruppen aus dem Dekanat Hochtaunus zum Konfi-Camp nach Wittenberg auf. Über 1000 Jugendliche können noch bis Mitte September dort 5 Tage in einer christlichen Gemeinschaft erfahren. Junge Erwachsene im Freiwilligendienst gestalten die Programmpunkte im großen Versammlungszelt oder betreuen die Zeltdörfer in ihren Unterzentren. Die Konfirmandengruppe aus Usingen fuhr eine Woche vor den Schulsommerferien nach Wittenberg und erlebte eine wunderbare und ereignisreiche Zeit. Von einer besonderen Erfahrung möchte ich berichten.

Im Vorfeld hatten wir uns darauf geeinigt, dass die Jugendlichen ihre Handys nicht mitnehmen. Das war eine Entscheidung von nur unserer Gruppe, die nichts mit einer Technikfeindlichkeit zu tun hat. Es ist ja immer die Frage wie und wann man mit den technischen Möglichkeiten umgeht. Das Konfi-Camp hat von dem technischen Fortschritt profitiert. Nicht nur die Betreuerinnen und Betreuer hatten Dank der Technik der Wettervorhersage mitbekommen, dass während ihres Aufenthalts im Konfi-Camp eine Unwettervorhersage angekündigt worden war. Das Abendprogramm verlief nach Plan. Dann wurde zuerst der gemeinsame Abendabschluss abgesagt und nach 22 Uhr ertönte die Alarmsirene, so dass alle in ihre Versorgungszelte sich versammelten. Jeder und jede sollten nur den Schlafsack und Regenkleidung mitnehmen. Die Aufregung stieg. Auch den Camp-Betreuern war eine professionelle Angespanntheit anzumerken. Es gab für den Fall eines Unwetters einen Evakuierungsplan, der aber bis dato noch nicht ausgeführt werden musste. Noch war nichts von einem Unwetter erkennbar. Aber man konnte in den Gesichtern der Jugendlichen die verständliche Unsicherheit ablesen: Werden wir heil in die Notunterkunft kommen? Erwischt uns noch das Unwetter? Warum sind wir jetzt nicht zu Hause in unseren sicheren vier Wänden? Usw. Dank der modernen Technik konnte der lokale Wetterdienst in Kooperation mit dem Konfi-Camp-Verantwortlichen, dem Katastrophenschutz und der Polizei den möglichen Verlauf des Unwetters einschätzen. Es war inzwischen klar, dass das Unwetter Wittenberg ab 2 Uhr am Morgen erreichen wird. Deshalb entschloss man sich das Konfi-Camp zu evakuieren, damit kein Mensch Schaden erleidet. Ein Lob auf die moderne Technik. Wie gesagt – die Evakuierung war ziemlich aufregend und zehrte an den Nerven. Bei den anderen Konfi-Gruppen waren die Betreuer damit beschäftigt, die Anrufe der besorgten Eltern, die von ihren Kindern per Handy informiert worden waren, zu beantworten. Sie hatten zum Teil gar keine Zeit, sich um ihre Jugendlichen zu kümmern. Ich habe im Laufe der Nacht auch etliche Jugendliche beobachten können, die (gefühlt)stundenlang mit ihrem Handy heulend telefonierten. Ihre verzweifelten Blicke änderten sich nicht.

War es nun ein Fehler, dass unsere Jugendlichen kein Handy dabei hatten? Wie haben sie reagiert? Sie haben sich gegenseitig zugehört, den anderen erzählen oder weinen lassen, ihn oder sie in den Arm genommen, ein Getränk organsiert, nach einem Medikament gefragt, Mut zugesprochen, die Unsicherheit oder den Frust miteinander geteilt und sich so gegenseitig getragen. Es war eine schwierige Situation. Aber mit den Techniken der Mitmenschlichkeit wurde sie von den Jugendlichen gemeistert. Mich hat das Verhalten der Jugendlichen sehr berührt. Ein Lob auf die Techniken der Mitmenschlichkeit!

Sicher erreichten alle Jugendlichen die nahe gelegene Grundschule. Am nächsten Morgen brachen alle wieder kurz nach 7 Uhr zum Konfi-Camp auf. Auf dem Heimweg konnten wir sehen wie abgebrochene Äste beseitigt wurden. Im Camp hatte der Sturm und das Gewitter keine Schäden verursacht.

Die bekannten Verse im Kapitel 3 aus dem alttestamtlichen Buch Prediger passen, von mir umformuliert, zu der geschilderten Erfahrung: Alles hat seine Zeit: Der Gebrauch der modernen Technik hat seine Zeit. Der Umgang mit der modernen Technik hat seine Zeit. Mit der modernen Technik Gefahren abzuwenden hat seine Zeit. Dabei die Mitmenschlichkeit nicht zu vergessen hat seine Zeit. Dem Anderen zuzuhören hat seine Zeit. Tränen fließen zu lassen hat seine Zeit. Mut zu machen hat seine Zeit. In den Arm zu nehmen hat seine Zeit. Reale Gemeinschaft erfahren hat seine Zeit.
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Dekanat Bad Homburg Evangelisches Dekanat Hochtaunus, Dekanat Bad Homburg

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